Nach wem wurde die "Aktion Reinhard" benannt?
Nach den Historikern Peter Witte und Stephen Tyas
(
A New Document on the Deportation and Murder of the Jews
in the General Gouvernment under "Einsatz Reinhardt") bezieht sich die "Aktion"
auf Reinhard / Reinhardt Heydrich, Chef der
Sicherheitspolizei (Sipo), des
Sicherheitsdienstes (SD)
und des
Reichssicherheitshauptamtes (RSHA).
Sie bezieht sich nicht auf den Staatssekretär im Finanzministerium, Fritz Reinhardt.
Witte und Tyas schreiben:
... der einzige interessante Bezug zum Reichsfinanzministerium, zu finden in den Archiven des IfZ, ist eine
eidesstattliche Erklärung von Bruno Melmer, Nürnberg, vom 11. Februar 1948 (NG-4983). Fritz Reinhardt
wird überhaupt nicht erwähnt. Ein anderes Problem ist, dass Melmer wichtige Ereignisse vom Mai 1942
berichtete, die allerdings Mitte August 1942 stattfanden. Es ist schwer zu erklären, warum
Einsatz
oder
Aktion Reinhardt nach einem Staatssekretär benannt worden sein soll, dessen Ministerium erst zwei
Monate nach Auftauchen der ersten bekannt gewordenen Tarnbezeichnung in die
Aktion einbezogen war.
"Aktion" oder "Einsatz"?
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Höfle Telegramme |
Unter kürzlich von der Geheimhaltung entbundenem Material im Public Record Office in Kew (England)
wurden zwei Telegramme des
SS-Sturmbannführers Hermann Höfle (stellvertretender
Stabsführer des SS- und Polizeiführers Lublin) entdeckt. Eines wurde an den
SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann im RSHA Berlin gesendet, das zweite ging an
Franz Heim, stellvertretender Kommandant der SiPo und des SD für das Generalgouvernement in Krakau.
Witte und Tyas:
...der Inhalt des Telegramms lautete "vierzehntägiger Bericht
Einsatz Reinhart" ...
Einsatz war offensichtlich der ursprünglich seit Juni 1942 benutzte Ausdruck, der aber
weniger oft im Jahre 1943 benutzt worden ist. Die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka wurden
ursprünglich "Lager des
Einsatzes Reinhardt" genannt. Neues Personal, das diesen Lagern zugewiesen
wurde, unterschrieb eine geheime Vereinbarung als "besonders beauftragte Personen für die Ausführung
der Aufgaben bei der Umsiedlung von Juden
Einsatz Reinhardt". Offiziell waren sie vorgesehen für
die "SS-Sonderkommandos
Einsatz Reinhard". Diese Bezeichnung benutzten die Täter aus Globocniks
Stab auch in ihrer Korrespondenz im Laufe des Jahres 1942. Andererseits taucht der Begriff
Aktion nicht
vor Mitte September 1942 auf, soweit wir ermitteln konnten. Es scheint so, dass er zuerst im WVHA und seiner
Abteilung für Konzentrationslager verwendet worden ist,... und erst später, 1943, von Globocnik und
Himmler. ... Aus diesen Gründen, und weil im Telegramm
Einsatz verwendet wurde, bevorzugen die Autoren
diesen Ausdruck anstatt
Aktion.
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Vereidigung |
Trotz der Forschungsergebnisse von Witte und Tyas verwendet ARC die Bezeichnung
Aktion Reinhard, weil dieser allgemein weiter verbreitet ist.
"Reinhard" oder "Reinhardt"?
Witte und Tyas:
Es ist nicht sehr bekannt, dass Heydrich offensichtlich in den 30er Jahren seinen Namen für einige Zeit
unterschiedlich geschrieben hat. In einer Rede (am 30. Januar 1943) zur Einführung Kaltenbrunners als
Heydrichs Nachfolger berichtete Himmler seinen Zuhörern, wie er
Reinhardt Heydrich 1930 zum ersten
Mal getroffen hatte, und erwähnte ausdrücklich die ungewöhnliche Schreibweise:
"Heydrich hatte seinen Vornamen mit dt geschrieben." Als Gerüchte unter Parteimitgliedern die Runde machten,
dass der junge Chef des Sicherheitsdienstes eventuell jüdischer Abstammung sei, beauftragte Himmler einen
Experten, Heydrichs Familie zu untersuchen und einen authentischen und überprüfbaren
Stammbaum vorzulegen. So wurde ein wissenschaftlicher "Bericht und Liste
der Vorfahren zur
rassischen Abstammung des Oberleutnant zur See
Reinhardt Heydrich"
seiner Personalakte beigefügt... Jede zwischen 1934 und 1942 vom SS Hauptpersonalamt offiziell herausgegebene
Dienstaltersliste der Schutzstaffel der NSDAP wies auch
Reinhardt als seinen Vornamen aus.
Heydrich versuchte vergeblich, seinen Namen in dieser Liste der SS-Offiziere in
Reinhard zu ändern.
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Offizieller Stempel |
Soweit bekannt, tauchte die Tarnbezeichnung
Reinhardt für den Massenmord zuerst sofort nach Heydrichs
Tod im Juni 1942 auf. ... Hinsichtlich der Schreibweise ... zeigte einer von Globocniks offiziellen Stempeln
den Reichsadler in der Mitte und die Inschrift
Der SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin -
Einsatz Reinhardt. Die wichtigste Akte der
Aktion Reinhardt, der Abschlussbericht Globocniks
(er enthält zwei Vermerke Himmlers), weist fünfzehnmal die dt-Schreibweise auf. Weitere Beweise sind
verfügbar.
Im Mai 2005 entdeckte die ARC Group ein Dokument, in dem
Aktion Reinhard ohne "t" geschrieben wurde:
Schreiben des SS-Obergruppenführers Oswald Pohl an
RFSS Himmler. Daraus ergibt sich, dass
Aktion Reinhard nicht einheitlich geschrieben worden ist.
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SS-Liste |
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Sterbekarte |
ARC Kommentar
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